Adventsbrief 2021

Liebe Vereinsmitglieder und Freunde von al hayat e.V.,

wie in jedem Jahr möchten ich mich an dieser Stelle mit ein paar Worten an Sie wenden und für Ihre Unterstützung im vergangenen Jahr danken.

Seit über 20 Jahren begleiten wir die libanesische Einrichtung Baytouna al Jadid, die ein Zuhause für eine

Gruppe von Menschen mit Behinderung darstellt. Ich wünschte, ich könnte positive Nachrichten aus dem

Libanon teilen, aber leider hat sich die Lage vor Ort im vergangenen Jahr weiter zugespitzt.

Im letzten Adventsbrief berichtete ich von der anhaltenden sozio-ökonomischen Krise im Land, die auch vor sozialen Eirichtungen wie Baytouna al Jadid keinen Halt macht. Als ich das letzte Mal mit Charbel Sfeir, dem Leiter der Einrichtung, sprach, ging gerade das Licht aus. Der Strom wird gegen 22h-23h abgestellt und ist erst ab 5h morgens wieder verfügbar. Das Tal unterhalb des Hauses liegt im Dunkeln. Seit sechs Monaten geht das nun schon so.

Charbel berichtet mir vom heutigen Gang zu den Behörden: die Gelder für das nächste Jahr müssen beantragt worden, auch wenn letztlich kein Geld fließen wird. 7h am Morgen war er vor Ort. Das Büro im Stockwerk muss zu Fuß erklommen werden, da der Fahrstuhl ohne Strom nicht funktioniert. Das Treppenhaus hat kein Licht und die Angestellten im Büro für soziale Angelegenheiten haben weder Papier, Strom, noch Tinte zum Ausdrucken der Dokumente. Das Ausdrucken muss man selbst übernehmen: also geht es die Treppen wieder hinunter und danach erneut hinauf. Wurde Charbel früher über die anstehenden Anmeldefristen per Email informiert, muss er jetzt darauf hoffen, dass ihn eine der Mitarbeiterinnen informiert. Frühere Kommunikationskanäle werden wieder ausgegraben. Denn obwohl kein Geld fließt, müssen die Steuern für die Einrichtung, pünktlich bezahlt werden.

Ich berichte davon so ausführlich, um Ihnen ein Bild von der Situation vor Ort zu machen. Die Landeswährung hat weiter an Wert verloren. 150 Dollar kann man pro Monat abheben und viele haben ihr auf der Bank sicher geglaubtes Vermögen, verloren. Rund 77.000 Menschen haben seit Beginn des Jahres das Land verlassen und sehen wenig Hoffnung auf Besserung. Auch wenn das kleine Land mit solchen Migrationsbewegungen generell vertraut ist, hat die Auswanderung in den letzten drei Jahren jedoch wieder massiv zugenommen.

Impressionen vom Weihnachtsfest bei Baytouna al Jadid im vergangenen Jahr

Die Verunsicherung ist groß, aber die Verantwortung, die Baytouna al Jadid für seine

BewohnerInnen hat, wird nicht kleiner. Das Team vor Ort hat sich verkleinert, denn langjährige Mitarbeiter haben die Einrichtung verlassen und es wird immer schwieriger, Angestellte zu finden.

Derzeit sind sie zu 5.: da muss jeder mitanpacken, da viele der Bewohner schwer behindert sind und zum Beispiel regelmäßig gewindelt werden müssen. 23 Bewohner leben in der Einrichtung und 4 kommen tagsüber täglich hinzu.

Die Eltern einzelner Bewohner, die die Einrichtung früher mit kleinen Beiträgen unterstützt haben, können sich das nicht mehr leisten. Selbst das Benzingeld für die Besuche fehlt nun, was sich wiederum auf das Wohlbefinden der Einzelnen auswirkt.

Zweimal befand sich die Einrichtung COVID-19 bedingt im Lockdown für insgesamt 1,5 Monate. Das ging erstaunlich gut. Doch hatte dies auch zur Folge, dass sie Yola, eine Bewohnerin, die 14 Jahre bei Baytouna al Jadid gelebt hatte und dieses Jahr verstorben ist, nicht gemeinsam beerdigen konnten. Nach einem Herzinfarkt, lag sie im Koma. Der Kummer war groß.

Wahib, einer der drei Brüder, über die ich früher bereits einmal berichtet habe, liegt auch gerade im Krankenhaus. Es gibt keine Medikamente und das BaJ Team, z.B. Charbels Frau Mirna Sfeir, die Krankenschwester ist, muss immer wieder einspringen und die Betreuung vor Ort übernehmen.

9854 Euro hat al hayat e.V. 2020 eingenommen und dieses Jahr konnten wir 14.000 Euro in den Libanon schicken: Geld, das dringend benötigt wird.

Charbel betont immer wieder, wie wichtig unsere Hilfe über all die Jahre gewesen ist. Momentan geht es im Libanon jedoch ums Überleben. Zusammen mit dem Schwesterverein “La Litanie”, der sich gerade zur alljährlichen Solidaritätsveranstaltung in Südfrankreich getroffen hat, bleibt “al hayat” somit eine Quelle, der moralischen und finanziellen Unterstützung.

Al hayat e.V. traf sich zur Vollversammlung 2021 in Emmendingen

Im Namen von al hayat e.V. bedanke ich mich für Ihr Engagement und Ihre kontinuierliche Hilfe, die es uns ermöglicht, die Einrichtung weiterhin zu unterstützen, und wünsche Ihnen und Ihren Familien eine schöne Weihnachtszeit.

Es grüßt Sie herzlich,

Heide Rieder

Heide Rieder