Adventsbrief 2019

Liebe Vereinsmitglieder und Freunde von al hayat e.V.,                     

20 Jahre al hayat e.V. – wenn das kein Grund zum Feiern ist! Mit Ihrer und Eurer Hilfe leisten wir seit zwanzig Jahren einen kleinen aber bedeutungsvollen Beitrag, das Leben für eine Gruppe von Menschen mit Behinderungen in Libanon und die Gemeinschaft von Baytouna al Jadid zu unterstützen. Dass dies leider auch heute noch notwendig ist, zeigt sich mit Blick auf die aktuellen Ereignisse vor Ort.

Die Bilder, die uns derzeit aus dem Libanon erreichen, sind bewegend. Menschen, gleich welcher Konfession, demonstrieren seit mehr als 50 Tagen in den Strassen von Beirut und in anderen Städten und kämpfen für mehr soziale Gerechtigkeit. Korruption, Machtmißbrauch und jahrelange Misswirtschaft haben das Land in eine ökonomische Krise geführt, die für die Menschen vor Ort nicht mehr hinzunehmen ist. Junge, gut ausgebildete Menschen finden keine Arbeit. Menschen sind von Armut bedroht. Am Bankautomat gibt es momentan wöchentlich nur 300- 400 Dollar; damit lässt es sich in Beirut nur schwer leben.

Seit Jahren berichte ich an dieser Stelle davon, dass soziale Einrichtungen in Libanon aufgrund fehlender staatlicher Unterstützung schliessen müssen. Inzwischen sind auch viele Unternehmen von Schliessung bedroht. Manchmal kommt für mich die Frage auf, was passieren würde, wenn Baytouna so wie andere Häuser schliessen müsste. Für viele der Bewohner ist Baytouna zum Zuhause geworden. Sie haben keine Familienmitglieder mehr, die sie aufnehmen könnten.

Al hayat e.V. hat dieses Jahr 9000 Euro sammeln können. Von diesem Geld kann die Einrichtung einen Monat lang die laufenden Kosten decken. Das scheint auf den ersten Blick nicht viel. Doch wenn man bedenkt, dass der Staat seit Monaten keine Zahlung mehr getätigt hat, dann wird deutlich wie dringend notwendig unsere Unterstützung nach wie vor ist. Auch 90% der wenigen Eltern der Bewohner, die bisher zumindest anteilig ein wenig Geld gezahlt haben, können momentan nichts mehr beisteuern.   

Al hayat e.V. feiert 20jähriges Bestehen in Heidelberg gemeinsam mit Charbel Sfeir

Da das Geld knapp ist, ist Baytouna al Jadid nun also wieder auf private Spenden aus der Umgebung angewiesen. 26 Menschen mit Behinderungen werden momentan im Heim betreut, die meisten leben auch dort. Lebensmittel werden regelmässig in der Einrichtung abgegeben. Denn täglich muss für 35 Menschen gekocht werden. Die Mitarbeiter stellen sich auf die Situation ein: bieten an, weniger zu arbeiten oder unbezahlten Urlaub zu nehmen, um weniger Gehalt beziehen zu müssen. Seit fast 20 Jahren erlebt die Einrichtung solche Durststrecken. Es ging immer weiter. Aber es ist nicht einfach.

An Neujahr kommen 20 Jugendliche zu Baytouna al Jadid, um mit den Bewohnern zu feiern. Es isr zu einer kleinen Tradition geworden. Die Einrichtung ist über die Jahre zu einem Ort der Begegnung geworden.

Ich möchte mit einem Satz von Jean Vanier schliessen, dem Begründer der Arche, die uns vor 20 Jahren als Verein zusammengeführt hat. „Unser gemeinschaftliches Leben ist schön und intensiv. Menschen mit Behinderungen machen ein wahre Verwandlung durch: sie machen die Erfahrung, dass sie in der Lage sind Entscheidungen zu treffen, eine gewisses Freiheitsgefühl zu entwickeln und erleben, würdevoll und als Mensch gesehen zu werden.“

Jean Vanier ist dieses Jahr am 7. Mai gestorben. Doch sein Geist und seine Idee von Gemeinschaft bleiben bestehen und begleiten uns.

Im Namen von al hayat e.V. wünsche ich Ihnen und Euch eine schöne Weihnachtszeit.

Es grüßt Sie herzlich,
Heide Rieder (Schriftführerin)

Heide Rieder