Advent 2017
Liebe Vereinsmitglieder und Freunde von al hayat e.V.,
im Namen unseres Vereins grüße ich Sie ganz herzlich. Wie jedes Jahr im Advent will ich an dieser Stelle ein wenig von der sozialen Einrichtung Baytouna al Jadid, für die wir uns seit vielen Jahren einsetzen, berichten.
23 Menschen zählt Baytouna al Jadid inzwischen. 20 Menschen leben ständig dort und wollen rund um die Uhr versorgt werden. Das bedeutet viel Arbeit, denn sieben Behinderte müssen täglich gewindelt und geduscht werden. Ein Glück, dass die Einrichtung auf Menschen zählen kann, die sich langfristig dort engagieren. Rami ist beispielsweise seit zehn Jahren bei Baytouna al Jadid tätig und Nathalie und Nelly, die beiden Verantwortlichen für das Heim und die Werkstatt, seit nunmehr 8 und 3,5 Jahren. Was motiviert sie? Der Geist der Gemeinschaft und das Gefühl, eine sinnvolle Arbeit zu leisten. Ahmad, beispielsweise hat es bisher nie lange bei einer Arbeitsstelle ausgehalten. Nun ist er bereits seit einem Jahr bei Baytouna al Jadid. Die Arbeit gefällt ihm.
Mich erinnern die Erzählungen von Baytouna al Jadid an meine eigene Zeit bei der Arche-Gemeinschaft von Jean Vanier, wo alles begonnen hat. Der Geist des Zusammenlebens von Menschen mit und ohne Behinderung spielt auch hier eine grosse Rolle.
Drei weitere Menschen mit Behinderungen sind dieses Jahr dazu gekommen und insgesamt drei Syrer leben nunmehr in der libanesischen Gemeinschaft. „Wir bekommen immer die schwierigen „Fälle“ von denen andere überfordert sind“, erzählt mir Charbel. Wie z.B. die 14jährige Souad. Charbel musste sie abholen, als der Anruf mit der Bitte um Aufnahme kam, denn 5 Menschen haben es nicht gewagt, sie zu berühren und eigenhändig in die Einrichtung zu bringen. Souad wird als gewalttätig beschrieben. Sie erlebt Krisen, in denen sie alles um sich herum zerschlägt. Sie hat als junges Mädchen nicht nur den Syrienkrieg sondern auch viel Gewalt in der eigenen Familie erfahren müssen: eine häufig übersehene Folge von jahrelangem Krieg und Gewalt. Auf richterliche Anweisung wurde sie aus ihrer Familie genommen und bei Baytouna al Jadid untergebracht. Souad ist taubstumm und schafft es nur mit viel Geduld und Anstrengung, sich verständlich zu machen. Nun, nach 6 Monaten, hat sie wieder Kontakt zu ihrer Familie aufgenommen.
Bild: Baytona al Jadid, 2017 (Charbel Sfeir, vorne rechts im Bild)
Solche Geschichten und Verhaltensweisen hinterlassen auch Spuren bei denen, die sich in dieser Arbeit für wenig Geld engagieren. Letztes Jahr habe ich von Saleh berichtet, der in Beirut regelrecht „ausgesetzt“ wurde. 6-7h hat er anfangs am Tag geweint und liess sich nicht beruhigen. Charbel erzählt mir, dass dann auch einige der Mitarbeiter stark davon betroffen waren und selbst depressive Verstimmungen entwickelt haben. Ihm ist die intensive Begleitung der Assistenten sehr wichtig und er versucht sie fachlich aber auch psychologisch betreuen zu lassen, damit sie weiter ihre Arbeit machen können und nicht selbst daran zerbrechen. Ein Psychologe, Nabil Khoury, begleitet die Einrichtung seit vielen Jahren. Beeindruckt und berührt von der Arbeit, nimmt er nicht viel Geld für seine Arbeit und leistet kontinuierlich Unterstützung. Denn Kontinuität ist wichtig: für die Behinderten aber auch für die gesamte Einrichtung. Der Staat zahlt inzwischen, unregelmässig, gewisse Summen, wenn auch nie soviel, wie der Einrichtung gesetzlich zustehen. Momentan lebt Baytouna al Jadid von dem Geld, dass eigentlich Ende 2016 ausgezahlt werden sollte. Von 2017 ganz zu schweigen…
Aber Baytouna al Jadid ist diesbezüglich kein Einzelfall. Andere Einrichtungen zahlen nur halbe Gehälter oder Krankenhäuser können nicht vernünftig funktionieren, weil sie nicht ausreichend vom Staat unterstützt werden. Keine Frage, das dieses Zurückhalten der Gelder politisch motiviert ist: man will das Land vor zu grossen Schulden bewahren und gleichzeitig gehen die Gelder in andere Krisenfelder, wie die Versorgung der 2 Millionen syrischen Flüchtlinge. Denn auch hier fliessen die Gelder der internationalen Geber im siebten Jahr der Syrienkrise nicht mehr so wie am Anfang. Hinzu kommt, dass der Libanon sich aktuell erneut in einer politischen Krise befindet, die das Land destabilisiert und Spannungen hervorruft.
Baytouna al Jadid ist somit auch weiterhin auf die Unterstützung von al hayat e.V. und unserem französischen Schwesternverein La Litani angewiesen. Wir haben auch dieses Jahr, dank Ihrer Hilfe, bisher 6000 Euro überweisen können: ein kleiner, aber stetiger Betrag.
Für diese Unterstützung möchte ich mich im Namen von al hayat e.V. ganz sehr bedanken und hoffe, dass Sie uns und unserer Arbeit auch weiterhin treu bleiben. Wenden Sie sich an uns (www.alhayat.de), wenn Sie mehr erfahren wollen. Wir freuen uns über ihr Interesse!
Ich verbleibe mit herzlichem Gruss und wünsche Ihnen und Ihren Familien, inneren Frieden und Zuversicht. Denn das brauchen wir in diesen unruhigen Zeiten.
Herzliche Grüße,
Heide Rieder (Schriftführerin)